Warum Reis waschen?

Kansha (Wertschätzung). Ein Wort, nein eher schon eine Lebensweise der Japaner, die mir mein Sensei bei unserer allerersten Begegnung vor einigen Jahren beigebracht hat. Die Wurzeln dieser Wertschätzung liegen in der Buddhistischen Philosophie. In der Küche bedeutet Kansha Wertschätzung gegenüber der Natur, den Lebensmitteln und den zum Kochen notwendigen Ressourcen. Kansha hält den Koch dazu an mit allem umsichtig umzugehen, Abfall zu vermeiden und dabei ausgewogene, optisch ansprechende Mahlzeiten zu kochen. Abfall vermeiden oder schöner ausgedrückt: Lebensmittel vollständig zu verwerten kann sogar zu einer Art Hobby werden. Die Herausforderung anzunehmen und herauszufinden wie viel (mehr) man von einem Lebensmittel noch für ein leckeres Gericht verwenden kann, hat dabei auch den tollen Nebeneffekt, die Ausgaben für Lebensmittel deutlich zu reduzieren.

Als Mama von drei Zwergen steht gesundes, ausgewogenes Essen weit oben auf meiner Liste, aber trotzdem esse ich zugegebenermaßen weißen Reis und nicht braunen. Einfach weil er mir besser schmeckt und weil er sich beim kochen völlig anders verhält als brauner Reis. Die Nährstoffe, auf die ich dadurch verzichte, hole ich mir aber zurück. Mit Nuka Zuké (japanischem Gemüse, eingelegt in Reiskleie) und mit diversen Körnern (z.B. Hirse, Hafer, Quinoa, Gerste, Amarant), die ich vor dem Kochen unter meinen Reis mische. Was mich dahin zurück bringt wo ich angefangen habe: Lebensmittel vollständig zu verwerten. Nuka (Reiskleie) ist ein Nebenprodukt, dass beim Schälen von Reis anfällt und wird in der japanischen Küche u.a. als Medium benutzt, um Gemüse einzulegen. Aber auch zum Kochen anstelle von normalem Wasser (Nuka-jiru). Frische Bambussprossen, die zur Zeit Hochsaison haben, enthalten z.B. Bitterstoffe und natürliche Blausäure (!), die vor ihrem Genuss neutralisiert werden müssen. Dies geschieht am besten durch das Kochen in Nuka-jiru (alternativ Togi-jiru –siehe unten, aber keinesfalls durch das Kochen in normalem Wasser).

Ein bisschen Nuka bleibt nach dem Schälen zwangsläufig an den Reiskörnern, weswegen man den Reis vor dem Kochen immer waschen sollte, sonst verhält er sich anders, setzt gerne an oder klumpt und ist einfach nicht so lecker. Aber auch hier gilt mein japanisches Küchen-Mantra nichts zu verschwenden und soviel wie möglich wieder und weiter zu verwerten. Das Waschwasser vom Reis hat einen Namen: Togi-jiru und NATÜRLICH gibt es mehrere sinnvolle Möglichkeiten es zu benutzen. Hier sind meine fünf Favoriten:

Togi-jiru for CookingKochen: Togi-jiru enthält Öle und Stärke vom Reis, die die natürlichen Süße eines Gemüses besser zur Geltung bringen und eher faserige Gemüsesorten (z.B. Daikon – japanischer Rettich) werden schneller gar. Wundervoll süß werden übrigens auch in Togi-jiru vorgekochte Maiskolben bevor sie auf dem Grill landen.

Togi-juru as creamKosmetik: Wenn sich ein Sediment am Boden gebildet hat, gießt das Wasser darüber vorsichtig ab. Nehmt ein bisschen von diesem Satz in die Hand. Fühlt ihn, reibt ihn zwischen den Fingern. Er ist wunderbar weich, fast schon samtig. Die Firma Shiseido benutzt dies übrigens als Grundlage für Make-up! Dieses Sediment kann in der Tat als Creme benutzt werden. Für Hände, Gesicht und auch als Body Lotion (wenn man genug zusammen bekommt). Ich finde es in der Küche besser als jede andere Handcreme. Es macht die Hände weich und versorgt sie mit Feuchtigkeit. Es hat keine fragwürdigen Inhaltsstoffe, die ich keinesfalls an oder in meinem Essen haben möchte und hinterlässt keinen fettigen Film. Gleichzeitig werden auch unangenehme Gerüche von z.B. Fisch oder Knoblauch neutralisiert.

Togi-jiru for plantsBlumen: Sparsame Köche heben auch das Waschwasser des zweiten oder dritten/vierten Waschens auf und gießen damit ihre Pflanzen. Die enthalten Nährstoffe lassen sie richtig aufleben.

Togi-jiru for pottery

 

 

Küche: Ähnlich der Handcreme entfernt Togi-jiru Küchengerüche auch aus Töpfen und Pfannen. Einfüllen, aufkochen, abkühlen und danach den Topf kurz abspülen. Fertig. Hervorragend ist Togi-jiru auch geeignet um Töpferwaren (z.B. Tee- und Reisschalen) zu reinigen.

Togi-juru for cleaningHaushalt: Bei mir ist noch nie genügend Togi-jiru übrig geblieben um diese Verwendungsart selbst zu testen, aber es heißt, dass das Wasser vom Reiswaschen sehr gut geeignet ist um Holzfußböden oder Badkeramik zu reinigen. Einfach mal in eine Sprühflasche füllen und ausprobieren.

Togi-jiru hält sich im Kühlschrank ungefähr fünf Tage. Damit besteht die Möglichkeit das Waschwasser von mehreren Tagen für eine Art Konzentrat zu sammeln. Hierfür das vorhandene, fast klare Wasser über dem Sediment abgiessen und mit neuem Waschwasser auffüllen. Ich verwende dieses Konzentrat dann entweder als Creme oder löse Teile davon wieder in Wasser auf, wenn ich es als Koch- oder Reinigungsflüssigkeit benötige.

Miso Madness: Marinierter Fisch

Heute war einer dieser Tage. Eine nicht enden wollende to-do-Liste und was auch immer ich angefangen habe hat irgendwie nicht so richtig funktioniert. Ein nicht-mehr-so-wirklich-schlafen-wollendes-Baby hat da auch nicht geholfen und weil das ja noch nicht genug ist konnte meine Große heute nicht in den Kindergarten und leistete mir zu Hause Gesellschaft. Solche Tage sind eigentlich prädestiniert für Essen zum Mitnehmen oder vom Lieferservice. Normalerweise. Wenn man nicht erst eine gute Dreiviertelstunde brauchen würde um alle Kinder einzupacken wenn man ‚nur mal eben schnell’ was zum Essen holen will. Wenn es einen Lieferservice gäbe, der für alle Geschmäcker und alle Altersgruppen ein passendes Angebot hätte. Meine Große ist nämlich Vegetarier. Nicht aus ethischen Gründen, sondern weil es ihr einfach nicht schmeckt. Gemüse isst sie zwar sehr gerne, aber ausschließlich roh. Meine Mittlere dagegen isst fast nur Fleisch. Und Lachs. Kein Gemüse, keinen anderen Fisch. Und meine Jüngste hat erst zwei Zähne, darf nicht viel Salz essen isst aber fast alles – solange es Japanisch ist. Mein Mann und ich essen dann Gottergeben was immer ich bei dieser Konstellation auf den Tisch bringe. Oder separat. Aber mein Problem war ja eigentlich ein anderes. Es war nur eine Frage der Zeit bis alles über mich hereinbrechen würde. Bis ich mit ‚einem von diesen Tagen‘ im Rücken am Nachmittag ein, zwei oder drei Mädchen tröste, Streit schlichte, waghalsige Klettermanöver verhindere und gleichzeitig in einem Topf am Herd rühre um am Ende dann selber den Tränen nahe zu sein. An solchen Tagen braucht man einen Küchen-Lebensretter. Leckeres Essen für die Seele, dass in ein paar Minuten auf dem Tisch ist.

Eine meiner Geheimwaffen für solche Tage ist Saikyo Yaki (Miso-marinierter Fisch), der schon in meinem Kühlschrank auf mich wartet. Zusammen mit einer Schale dampfendem Reis und einer leckeren Misosuppe eine wärmende, leichte und gesunde Mahlzeit. Mit ein klein wenig Vorbereitung steht dieses Essen dann in nur 10 Minuten auf dem Tisch und verwandelt meine müde Chaostruppe wieder in glückliche kleine Mädchen.

Wenn ich am Tag dann mal einen Moment Zeit habe, wird der Reis gewaschen und der Reiskocher angestellt. Damit ist der Reis fertig und warm wann immer ich ihn brauche. Zur gleichen Zeit lege ich ein Stück Seetang in Wasser – zur späteren Herstellung von Dashi (Basissuppe), was ebenfalls nur wenige Minuten dauert (siehe hier auch das Rezept dafür). Das war’s schon mit den Vorbereitungen für ein entspanntes Abendessen. Wenn es dann soweit ist, wird schnell ein bisschen Misopaste in die Suppe gerührt während ich den Fisch aus der Marinade nehme und ohne weiteren Firlefanz grille oder brate. Wer will (meine beiden Großen offensichtlich nicht) kann mit ein bisschen Gemüse in der Suppe die Vitaminzufuhr noch steigern. In dem Fall zur Suppe geben und nach Geschmack garen BEVOR die Misopaste eingerührt wird.

Zugegebenermaßen habe ich eigentlich fast immer ein bisschen in Miso marinierten Lachs im Kühlschrank. Sicherheitshalber. Gekühlt hält er sich in der Marinade gut und gerne fünf Tage und auch wenn ‚diese Tage‘ nicht verlässlich passieren, so sind sie häufig genug. Und selbst wenn nicht, habe ich nichts gegen ein schnell zubereitetes und leckeres Abendessen einzuwenden. Hier also nun das Rezept:

ZutatenSaikyo Yaki

  • 4 Stk. á ca. 100g Fisch mit Haut (z.B. Lachs, Makrele, Dorsch)
  • Etwas Kochsake (optional)
  • Ein Stück Sarashi oder Mulltuch (in doppelter Lage) groß genug um den Fisch einzuwickeln
  • Einen Behälter, groß genug um den Fisch in einer Lage einzulegen. Am besten nicht aus Metall und wenn möglich mit Deckel

Für die Marinade:

  • 450-500g Saikyo Miso (helle, süßliche Misopaste)
  • 80 ml Mirin (süßer Reiswein)
  • abgeriebene Schale von einer unbehandelten Yuzu, Zitrone oder Orange

Zubereitung

Den Fisch unter fließendem Wasser abspülen und trocken tupfen. Wer auf der sicheren Seite sein will kann den Fisch mit Kochsake abspülen und trocken tupfen.

Die Zutaten für die Marinade vermengen und die Hälfte auf dem Boden des Gefäßes verteilen. Sarashi oder Mulltuch über der aromatisierten Misopaste ausbreiten, leicht andrücken und den Lachs darauf legen. Mit dem verbleibenden Stück Sarashi oder Mulltuch den Lachs einschlagen und darauf die zweite Hälfte der aromatisierten Misopaste gleichmäßig verteilen. Mit einem Stück Folie oder, wenn vorhanden, einem Deckel bedecken und bei Raumtemperatur mind. sechs Stunden marinieren oder im Kühlschrank bis zu fünf Tage. Je länger der Fisch mariniert wird, desto fester wird das Fleisch nach dem Grillen und desto intensiver kommt der süß-salzige Geschmack der Marinade zum tragen.

Für die Zubereitung den Fisch aus der Marinade nehmen (die Marinade in einem Glasgefäß für das nächste Mal aufheben) und mit der Hautseite in Richtung Hitzequelle für 3-4 Minuten auf oder unter den Grill oder bei mittlerer Hitze in die Pfanne legen (die Haut wird Blasen werfen und vielleicht ein bisschen ankohlen). Den Fisch wenden und weitere 2-3 Minuten fertig garen. Dabei darauf achten, dass er nicht anbrennt. Der Fisch ist fertig wenn er außen golden und ein bisschen kross, innen aber noch saftig ist. Er kann entweder direkt aus der Pfanne oder später bei Raumtemperatur genossen werden.

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Sake ist Sake

Ich sehe häufig ungläubige Blicke wenn ich etwas über meine Besuche in den Sake Brauereien erzähle. Viele sind irritiert, dass ‚Reiswein’ gebraut wird. Andere hätten Sake eher zu den Spirituosen gezählt, weil er manchmal recht stark sein kann, obwohl er alkoholtechnisch gar nicht so weit von einem kräftigen Rotwein entfernt ist. Also was ist Sake denn nun?

Sake ist ein traditionelles, Japanisches Getränk, dass seit ca. 1.000 Jahren so wie heute gebraut und nur aus Reis hergestellt wird. Natürlich benötigt man für die alkoholische Gärung noch Wasser, Hefe und Koji (einen Edelschimmelpilz der die Stärke des Reis in Zuckermolekühle aufbricht), aber es darf kein anderes Getreide außer Reis zur Herstellung von Sake benutzt werden. Die Herstellung von Sake aus einem Getreide ist damit der Herstellung von Bier ähnlich, aber eben nicht gleich. Die Komplexität von Sake mit seinen ca. 400 Geschmacksnuancen übertrifft sogar die von Wein, der ca. 200 Geschmacksnuancen aufweist. Und der natürlicher Alkoholgehalt von 16-20% erinnert an Spirituosen. Sake ist aber weder Wein noch Bier noch Spirituose. Sake ist Sake. Ein eigenes Getränk. Fein, raffiniert, komplex und genussreich.

Zusammenfassend, wie wird Sake nun gemacht?

Der Reis wird poliert, gewaschen, eingeweicht und dann gedämpft. In dieser Reihenfolge. Danach wird er mit Wasser, Hefe und Koji in einem kleinen, offenen Tank für zumeist zwei (manchmal auch vier) Wochen vergoren. Diese Mischung nennt sich Moto. Nach zwei (vier) Wochen dann wird der Moto in einen größeren Tank gegeben und in vier Tagen wird drei mal erneut Wasser, Reis und Koji zugegeben. Dieser Mix heißt dann Moromi. In diesem großen, ebenfalls offenen Tank vergärt der Moromi dann zwischen 18 und 32 Tagen, bevor er gepresst, gefiltert, häufig pasteurisiert und manchmal auch mit andrem Sake vermischt wird (wie eine Assemblage).

Das alles klingt eigentlich recht einfach. Wir kann dann etwas so ‚einfaches’ eine solche Aromenvielfalt hervorbringen? Nun, weil JEDE noch so kleine Änderung in JEDEM Schritt des Prozesses Einfluss auf das Geschmackserlebnis des Endproduktes hat.

  • Welches Wasser benutzt wird und wie die genaue chemische Zusammensetzung zum Zeitpunkt des Brauens ist
  • Welche Reissorte benutzt wird und wo dieser Reis angebaut wurde
  • Wie das Wetter während des Reisanbaus war und welche Temperaturen und Luftfeuchtigkeit während des Brauens vorherrschen
  • Wie viel und wie schnell der Reis poliert wird
  • Wie lange der Reis gewaschen und eingeweicht wird (Japanische Braumeister nehmen hier Anpassungen im Sekundenbereich vor)
  • Wie schnell und wohin der Koji-Pilz auf den Reiskörnern wächst (was durch Temperatur und Luftfeuchtigkeit geregelt wird – ebenfalls im 0,5-1 Grad / Prozent-bereich)
  • Welche Hefe benutzt wird und bei welcher Temperatur die Gärung stattfindet

Die Liste geht noch viel weiter aber ich denke, es ist klar geworden, dass Sake brauen eine Kunst ist und alles andere als einfach. Alle Anpassungen werden nur vom Toji (Braumeister) gemacht. Auf der Basis seiner Intuition, seiner Erfahrung und seinen fünf Sinnen. Maschinen können dies nur unzureichend leisten, so dass sie nur bei ordinärem, günstigen Sake zum Einsatz kommen. Es ist auch nicht überraschend, dass nur wenige Kurabito (Brauereiarbeiter) jemals ein Toji werden und dafür Jahrzehnte lang in die Lehre gehen, Erfahrungen sammeln und ihre Sinne schärfen.