Voll mit Aroma

Es sind die kleinen Dinge, in denen sich Hingabe, Liebe zum Detail manifestiert. Präzise, schon fast liebevoll angerichtete Teller, die mit einem Blatt, ein paar Tropfen einem Schnitz, Schaum oder ‘Smear’ den letzten Schliff bekommen. Unbedeutend vielleicht nur in der Menge, sind sie fester Bestandteil eines Gerichtes.

Junge Sanchoblätter (Kinome) auf frischem Spargel
Spargel mit Kinome-aé

Yakumi geben  Japanischen Gerichten den richtigen Schliff

Yakuimi’ heissen diese kleinen Beigaben in Japan. Sie sind nicht spektakulär, fallen nicht wirklich auf, sondern wirken wie einfach da. Kleine Mengen hocharomatischer Kräuter, Gewürze oder Gemüse. Weder gedacht als Wow-Effekt, noch als Demonstration herausragender Kochkunst, komplettieren Sie ein Gericht leise und unauffällig – in der Regel so, wie die Natur sie geschaffen hat. Als solches gern benutzt als Ode an die Saisonalität. So finden Yuzu Schalen im Winter häufig ihren Weg auf die Teller, junger Ingwer thront in der brutalen Hitze des Sommers auf erfrischend kühlem Seidentofu und im Frühling geben häufig junge Sancho Blätter den letzten Schliff. Auch wenn der Vergleich ein bisschen hinkt, so sind Yakumi für mich genauso essentiell wie für wohl viele andere Parmesan Käse zu Spaghetti Bolognese.

Seltenes Japanisches Gemüse einfach selber ziehen

Einige davon wie Daikon, Ingwer, Shiso Blätter, Frühlingszwiebeln oder Sichimi Togarashi bekommt man hier problemlos. Auf andere muss man verzichten, es sei denn man krempelt die Ärmel hoch und macht seine Hände schmutzig. Den viele Japanische Kräuter und Gemüsesorten können hier problemlos angebaut werden. Manche sind zugegebenermaßen frostempfindlich und deshalb nur in Töpfen zu ziehen, aber viele kommen mit unserem Klima gut zurecht.

Junge Sancho Beeren am Strauch
Sancho Busch mit ganz jungen Beeren

Mit jedem Jahr lehne ich mich mehr aus dem Fenster, jedes Jahr kommen neue Sachen dazu. Die Samen und Pflanzen dafür kann man online bestellen*. Und so freue ich mich jeden Frühling wie ein Kind, wenn sich die ersten Myogasprösslinge zeigen, wenn mein Sancho zitronig duftende Blätter produziert und der Wasabi blüht. Ich hege und pflege sie und zenmäßig verbringe ich jeden Tag eine Weile dort, schaue manchmal in Vorfreude, manchmal besorgt nach neuen Blätter, ersten Blüten, oder Knospen. Ich gebe zu, dass ich mit ihnen rede. Das tue ich übrigens auch mit meinem Kühlschrank und mit meinem, Kurzzeitwecker. Ob es hilft weiß ich nicht – bei meinem Kühlschrank definitiv nicht, aber von meinem Japanischen Gemüsegarten werde ich am Ende eigentlich immer belohnt.
Ich gebe auch zu, dass ich hi und da vielleicht ein ganz kleines bisschen zu optimistisch war, was die Anzahl der Pflanzen anbetrifft. Irgendwie hatte ich doch immer wieder Sorge, das der Winter seinen Tribut fordert und habe jedes Jahr ein paar Pflanzen nachbestellt. Ich werde also demnächst im Überfluss leben und abwechselnd mal in Shiso, mal in Myoga, Sancho, Komatsuna, Wasabi oder … schwimmen.

Frisch geerntete Klettwurzeln
Frisch geernteter Gobo (Klettwurzeln)

Aber ist das nicht letztendlich der Inbegriff von Saisonalität? Das es nicht immer alles zu jeder Zeit gibt, ist mittlerweile ja schon selbstverständlich, aber das so viel von etwas in unserer Küche landet, dass es uns ‘aus den Ohren’ rauskommt, passiert wohl nur denen, die selber anbauen. Aber genau wie Mangel kreativ macht zwingt uns nicht Überfluss dazu ein Obst/Gemüse immer wieder neu zu erfinden um ihm nicht überdrüssig zu werden?


* Am besten Ihr sucht online nach den Pflanzen, die Euch interessieren. Samen für z.B. Shiso sind bei vielen Online Händlern zu bekommen. Die etwas exotischeren Sorten habe ich bisher nur bei einigen spezialisierten Händlern gesehen, wie z.B. bei Rühlemann’s, Gartenrot oder Magic Garden Seeds.

Schlaue Schalen aus der Japanischen Küche

Saisonal kochen ist in Japan nicht nur Lippenbekenntnis, sondern wird sogar noch auf die Spitze getrieben. Wie hier im Detail erklärt unterteilt sich die Saison für ein Lebensmittel  in drei Sub-Saisons: ‘Hashiri’ – die Zeit kurz vor dem Höhepunkt, wenn die ersten Produkte auf dem Markt erscheinen, obwohl es noch ein bisschen zu früh für sie ist. ‘Shun’ – der Gipfel des Geschmacks. Die Zeit in der ein Produkt perfekt ist, es am besten schmeckt und ‘Nagori’ – wenn die Saison eigentlich vorbei ist, alles was noch übrig ist, ein bisschen müde ist, aber noch ein letztes mal zubereitet wird, bevor es sich wieder für eine lange Zeit verabschiedet.

Ein Seelenwärmer der Japanischen Küche

Wo uns der Beginn der Sommerzeit gestern mit Schneegestöber und Minusgraden überrascht hat und bevor der Frühling mit jungem und knackigem Gemüse so richtig einzieht, ist dieses Rezept mein Nagori – mein Abschied – an die Süßkartoffel. Eine Ode an gemütliche Herbst- und Wintertage. Als Dessert, als Snack zum Tee oder Geheimwaffe für hungrige Kinder am Nachmittag. Nicht zuletzt eine gute Möglichkeit die Schalen von Süßkartoffeln schmackhaft zu verwerten.
In Japan kennt man dieses Gericht unter dem Namen ‘Daigaku Imo’: Universitäts-Kartoffeln. Ins Leben gerufen durch Studenten Anfang des 20. Jahrhunderts sind sie heute beliebtes Street Food und nach wie vor fester Bestandteil der Herbst-Festivals der Unis in Tokio.
Ursprünglich werden die Kartoffeln vor dem Kandieren frittiert. Dieses Rezept ersetzt dies mit einer Technik, die ‘Mushi Yaki’ heisst, bei der gleichzeitig gebraten und gedämpft wird und die damit mit deutlich weniger Öl auskommt.

Zutaten Für 4 Personen

ca. 500 g dick geschälte Süßkartoffelschalen
30 ml neutrales Öl (z.B. Raps, Sonnenblumen, Erduss)
50 g Rohrzucker
2 Tl flüssiger Honig
Ein Spritzer Sojasauce
1 Tl gerösteter schwarzer Sesam

Zubereitung

Die Süßkartoffelschalen in mundgerechte Stücke schneiden und für 10 Min. in Wasser einlegen. Zucker, Öl und Honig in die kalte Pfanne geben. Kartoffelschalen aus dem Wasser nehmen, nicht trocknen und ebenfalls in die Pfanne geben. Die Pfanne mit einem Deckel abdecken, der vorher in ein Küchentuch gewickelt wurde, um später das Kondenswasser aufzufangen. Alles auf mittlere Stufe erhitzen. Dabei ab und zu schwenken und alle 2-3 Minuten die Kartoffelstücke wenden bis sie innen weich sind und aussen gold und knusprig. Die genaue Kochzeit variiert mit der Dicke der Stücke, liegt aber im Schnitt bei 5-8 Minuten. Wenn die Kartoffelschalen fertig sind, einen Spritzer Sojasauce zugeben, durchmischen und mit schwarzem Sesam bestreuen. Schmeckt am besten warm.

Lasst es Euch schmecken!

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